Donnerstag, 15. Juni 2017

Was tun wenn ich Kritik nicht verstehe?

Eine Beobachtung in letzter Zeit und auf längere Sicht, unter eher minder guten und sich stetig sträubenden RPG Maker Entwicklern, hat mich zu einer erschreckenden aber logischen und auch schadensminimierenden Erkenntnis geführt:

Wenn du als Entwickler die eigentliche Kritik nicht verstehst und du dir darüber im Klaren bist, fange gar nicht erst an dein Spiel entsprechend dieser Kritik zu verbessern, denn im Regelfall wird dadurch lediglich ein Pflaster-Clusterfuck geschaffen. Ein chaotisches Produkt.

Quasi ein Pflasterfuck


Um Kritik zu verstehen muss die Ursache des Problems erkannt werden und die liegt, abhängig vom eigentlichen Problem, häufig tiefer als die vom Kritiker angekratzten Oberfläche. Und zwar häufig in mir (als Entwickler).

Ein scheinbar einfaches Problem - beispielsweise schwache Dialoge - kann daher rühren, dass mir  die Grundlagen fehlen um ein Problem zu begreifen oder es zu fixen. Dieses Problem hätte überhaupt nicht auftreten sollen, wenn ich es bereits besser weiß; die Kritik hätte überhaupt nicht stattfinden sollen. Wenn mir aktuell also die Kapazitäten fehlen um zu begreifen weshalb dieses Problem besteht und ich nicht weiß wie ich es zu verbessern habe oder weshalb die vorgeschlagene Verbesserung besser sein soll - Lasse ich es besser bleiben. Nicht aus Faulheit, sondern Schadensminimierung.

Die Sache ist ja Folgende: Entweder die angebrachte Kritik stimmt - oder sie stimmt nicht.
Der Kritiker kann sich irren - Er kann Recht haben.
Ich als Entwickler kann mich irren - Aber ich kann auch Recht haben.
Vielleicht irren sich aber auch wir beide und das durchaus vorhandene Problem hat ganz andere Ursachen, als wir denken?

So lange ich (als Entwickler) nicht die Ursache des Problems erfasst habe, um diesem in Zukunft vorzubeugen, sollte ich nicht versuchen Änderungen einzustreuen, die entgegen meiner eigenen Vision und Richtigkeit arbeiten. Dann kann ich auch immer wieder versuchen dieses Problem zu fixen. So lange ich nicht weiß was ich falsch mache, mache ich diese eine Sache niemals richtig, egal wie oft ich es versuche.

Dann sollte ich lieber mein Spiel nach meinem eigenen Gutdünken fertigstellen, um diese Erfahrung für mein nächstes Spiel zu sammeln. Über meine eigenen Probleme stolpern und vielleicht im Laufe der Zeit zu verstehen was der Kritiker meinte. Geistiges Wachstum anstreben, den Horizont erweitern, für etwas was man zuvor nicht oder falsch ins Auge fasste.

Die vier Säulen der Problemursache



Anhand meiner bisherigen Erfahrungen, würde ich mir jetzt diese vier Säulen aufstellen. Man könnte sagen sie verdeutlichen die grundlegendsten Ursachen von Problemen, aber auch den Schwierigkeitsgrad am Problem etwas zu ändern. Sie sind quasi natürliche Resistenzen. Und ebenso lassen sich für einen Außenstehenden, von Rechts nach Links, immer schwieriger diese Säule kritisieren, denn sie werden immer persönlicher. Diese Säulen sind aber auch nicht getrennt zu betrachten, sondern fußen häufig aufeinander.

Wenn ihr ein besseres oder anderes Konzept habt, ist das auch okay. Es gibt meist mehr als nur eine Lösung und nicht jeder versteht Lösungsvorschläge auf die selbe Weise. Ich versuche hiermit ein Grundverständnis zur Gesamtproblematik aufzubauen, soweit ich es derzeit selbst verstehe.

Deine Persönlichkeit


Farben sind etwas Witziges, oder? Nein, nur weil die Säule Rot ist, ist sie nicht etwas Schlechtes. Alleine dieser implizierte farbliche Angriff zeigt schon, dass ich (als Entwickler) hier schwierig zu kritisieren bin, ohne die Hände wehrend hochzureißen.
Die grundlegende Kernpersönlichkeit eines Menschen ist schwer ankratzbar. Sie lässt sich mit dem wachsenden Erfahrungsschatz, Wissen und Fakten aufpolieren, doch dazu bedarf es nicht selten Jahrzehnte. Für ein Videospiel hat sie höchstens einen Einfluss auf Dialoge (z.B. in Form von Empathie), Spielweisen und Vorlieben aber vor allen Dingen auch die Offenheit für Kritik.

Wenn ich ein kritik-offener Mensch bin, der willig ist seine Umwelt (und Kritik) zu verstehen, habe ich viel weniger Probleme damit meinen Horizont zu erweitern, mich zu verbessern und so auch mein Spiel.
Bin ich hingegen ein selbstverliebter Typ, der keine Kritik duldet und jede Erwähnung von Problemen als persönlichen Angriff sieht ... nun, dann werden mein Spiel und meine zukünftigen Spiele wohl auf ewig stagnieren, denn ich habe grundsätzlich keinen Willen zur Verbesserung.


Dein Erfahrungsschatz


Meine Umwelt, Erziehung und anderes soziales Miteinander, haben mich als Menschen geprägt (wie es auch meine Persönlichkeit prägte). Das hat direkten Einfluss auf die Art wie und was ich denke und das hat durchaus Einfluss auf mein Spiel. Aber hier interessiert auch was ich (als Entwickler) über Gamedesign lernte. Wie gut meine Beobachtung fremder Werke ist und ob ich auch die positiven Elemente herausfiltern kann.
Ein wenig hängt das auch mit der Persönlichkeit zusammen. Wenn ich ein eher schlicht gestrickter Typ bin, werden mich die schlichten Elemente eher ansprechen, während ich die komplexen Elemente eher ignoriere. Mein kultureller Geschmack hängt sowohl mit der Persönlichkeit, als auch bisherigen Lebenserfahrung zusammen und wird sich im Laufe der Zeit ändern.

Mein Erfahrungsschatz ist aber auch relevant für mein Skillset. Je mehr Erfahrung ich in einer Tätigkeit habe, desto besser bin ich darin. Deswegen möchte ich diese Säule auch direkt mit WISSEN verknüpfen.
Je mehr du weißt und je größer dein Zugriff auf Fakten, desto mehr kannst du mit diesem Wissen anstellen und in verschiedensten Formen in dein Spiel einstreuen. Sei es handwerklich oder thematisch angesprochen.

Und desto besser erkenne ich, in welcher Form ich mit angebrachter Kritik umgehen soll und was dahinter steckt. Zu einem großen Teil hängt Kritikverständnis halt mit Lebenserfahrung zusammen. Das sollte man jedoch nicht mit dem "Lebensalter" verwechseln, denn man kann auch alt sein und nichts in seinem Leben gelernt haben. Es kommt darauf an, was wir in der kurzen Zeit mit unserem Leben machten.

Deine Fähigkeiten


Fähigkeiten umfassen einen recht großen Teil dessen, wozu ich (als Entwickler) fähig bin. Da ist der handwerkliche Aspekt, der planerische Aspekt. Oder auch der musikalische Aspekt. Oder prinzipiell ein Gefühl für Dramatik - und mehr. Nicht alle Fähigkeiten werden in gleicher Menge benötigt

Meine persönlichen handwerklichen Fähigkeiten haben einen großen Einfluss darauf, was ich in mein Spiel integrieren kann. Seien es Grafiken, Skripte oder andere unikate Elemente. Dazu bedarf es ausreichende Übung (Wissen / Erfahrung). Werde ich nun aber vor eine Kritik gestellt, die mehr abverlangt als ich tatsächlich fähig bin umzusetzen, stehe ich vor dem Dilemma mich entweder weiterzubilden, ein paar notdürftige Edits durchzuführen oder die Sache erstmal zu ignorieren, bis ich mich in dieser Problematik stärker fühle. Quasi am Ende der Projektentwicklungszeit, wenn ich das größte Wissen ansammelte. Grafiken, die mit einem Klick auf "Importieren" global ersetzt sind, sind ein gutes Beispiel für einen solchen Aufschub.

Werden meine Fähigkeiten hingegen über das komplette Projekt hinweg gefordert, beispielsweise im Storytelling und ich werde konsequent für dieses Storytelling kritisiert, ist mein komplettes Spiel ein Problem, welches sich nicht auf die schnelle Beheben lässt. Es müsste komplett umgeschrieben werden, und zwar ab dem Zeitpunkt wo ich verstehe, WAS EXAKT das Problem für meine schlechte Erzählung ist. Ich muss erstmal verstehen was die Ursache ist, damit es im Kopf klickt.
So lange ich das nicht verstehe, kann ich noch so viel flicken, es wird allerhöchstens ein Pflasterfuck, denn ohne Grundverständnis wird sich dieses Problem im Laufe der Entwicklung immer wieder auffinden lassen.

Daher, sollten die Fähigkeiten das Problem nicht erfassen können, würde mir nur übrig bleiben das Problem zu ignorieren, bis ich es fixen kann. Und womöglich kommt dieser Zeitpunkt auch erst, nachdem ich ein neues Spiel begann.

Tatsächlich habe ich schon sehr viele Projekte abgebrochen, weil ich die Probleme erkannte und sie nicht mehr korrigieren konnte (in erster Linie aufgrund mangelnder Planung und Erfahrung).

Der Output


Oder auch: Mein Spiel (von mir als Entwickler).

Hier sammelt sich alles was in den bisherigen Säulen ein Thema war. Meine Fähigkeiten, Erfahrungsschatz und Persönlichkeit fließt in dieses Werk ein. Es ist das Symbol meiner Fähigkeiten, woran ich als Entwickler gemessen werde. Und ist es DIE Säule, die unter Kritik steht und an der gemessen wird, zu was ich fähig bin.

Und im Regelfall wird in irgendeiner Form Kritik fallen. Es ist dann an mir diese Kritik zu verstehen, sie zu kategorisieren und zu verarbeiten. Sollte ich dazu nicht fähig sein, bin ich gezwungen sie zu ignorieren (eventuell reden ich und der Kritiker auch nur aneinander vorbei). Es ist jedoch meine Aufgabe die Kritik eines Tages zu verstehen, denn keine Kritik ist wertlos, sondern lässt sich in irgendeiner Form verwerten. Und manchmal anders, als man es ursprünglich dachte. Doch dazu bedarf es Erfahrung, mancher Fähigkeit und einer aufgeschlossenen Persönlichkeit.

tl;dr


Wenn du Kritik nicht verstehst, kümmere dich darum, sobald du sie verstehst. Du musst nicht so tun als könntest du alles oder als müsstest alles so fixen, wie Andere es dir sagen. Am Ende ist es noch immer deine Vision und du hast du beste Übersicht über dein eigenes Spiel. Du solltest nur nicht vergessen, dass der Output der relevante Teil ist. Es geht um die Spieler und sie zu unterhalten. Eventuell hast du deine Vision nur falsch verpackt, quasi die falschen Portionen in den Output geschoben. Nehmt eure Kritiker ernst, denn sie könnten Recht haben.

Das waren meine heutigen Gedanken,

True


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