Dienstag, 14. Juni 2016

Alternativen zu MAGIE

Bekanntermaßen bin ich nicht der größte Freund von Magie. Und das ist, weil sich viel zu oft auf Magie als Problemlöser verlassen wird, obwohl es tausende Alternativen gibt. Obwohl der Problemlöser gelegentlich einfach nur ein Dialog gewesen wäre. Spitze.

Mein Problem mit Zauberei


Magie muss man nicht erklären. Es wird schlichtweg gesagt was es tut und daraufhin tut es diese Sache. Das ist möglich, weil es keinen weltlichen Regeln folgen braucht, da es kein Bestandteil der Realität ist. Und somit kann jeder Autor Magie frei definieren, ohne Rücksicht auf irgendwelche Kontinuitäten. Somit braucht niemand Magie verstehen, denn es ist in seiner Essenz komplett willkürlich: Du kannst "Magie" nicht konkretisieren. Es ist also ein einfaches Tool, um sich Überlegungen oder Erklärungen zu sparen.

Klingt ja super! Super einfach! Viel. Zu. Einfach!

Versteht mich nicht falsch, Magie kann seinen Platz haben:
Kampfsysteme wären etwas dünn, wenn es nicht hin und wieder Magie gäbe.
Oder ein Telekinese-Zauber um an weit entfernte Objekte zu kommen.
Oder ein Engelsschwingen-Zauber um kurzzeitig über kleine Abgründe zu gelangen.
Oder ein Verwandlungsstein, der einem zum Tier werden lässt.

Das sind Einsatzmöglichkeiten im Gameplay, für die es so gut wie keine Alternativen gibt. Und wenn einem auf Teufel komm raus keine "weltlichen" Alternativen einfallen, dann ist Magie auch in Ordnung. Ich will und kann ja niemanden dazu zwingen, Zauberei komplett zu streichen oder "weltliche" Alternativen dafür zu finden. Kreativität einzuschränken liegt ja nun auch nicht in meinem Interesse.

Jetzt aber, stellt Euch als Spieler mal vor, ihr würdet ein Rollenspiel zocken und alle Nase lang mit solchen Sätzen konfrontiert werden:

Wie kommen wir nur nach Dorf Sowieso? Mit Magie!
Wie können wir diese Person nur überzeugen? Mit Magie!
Wie kommen wir an dieser Tür vorbei? Magie.
Dieses Dorf wird nicht von Monstern angegriffen. Wegen Magie.
Die Geschichte dieses Rollenspiels existiert wegen: Magie!
Ich habe keinen Schleifstein, aber zum Glück habe ich einen Schleifzauber!
Brrr, wir werden in diesem kalten Gebiet nicht überleben. Außer wir nutzen Magie!
Niemand kann mich erkennen, denn ich bin magisch getarnt!
Diese Schriftrolle ist nicht lesbar, weil sie magisch geschützt ist!

Wann ist Magie nicht die Lösung (und Ursache) von Problemen? Wo bleibt die Spannung und Erwartung auf eine nachvollziehbar erzählte Geschichte, wenn plötzlich aus dem Nichts ein Hauch von willkürlicher Magie kommt? Ich kann einfach keine gute und spannende Geschichte erwarten, wenn für die kleinsten Probleme direkt Zauberei herangezogen wird, obwohl es tausende alternative Möglichkeiten gäbe.

Wann immer Magie eingesetzt wird, wird darauf verzichtet:

- die Welt etwas besser zu erklären (Worldbuilding)
- mehr von der Welt zu zeigen und sie interessanter zu gestalten
- die Charaktere durch ihre eigenen Lösungsmöglichkeiten zu vertiefen
- sich mehr Geschichte auszudenken
- einen Spannungsbogen aufzubauen
- interessante Probleme zu erzeugen
- sein Spiel nicht wie Trash aussehen zu lassen.

Dabei ist es nicht die Magie selbst, die mich stört, sondern der stinkfaule narrative Einsatz durch den Autor. Ich wäre froh darum mal eine Welt zu erleben, wo Magie eine konkretisierte Kraft ist, die ganz spezifischen Regeln folgt und welche man als Spieler auch schnell verstehen kann.

Alternative 1: Simple weltliche Logik


Was ist Dein erster Lösungsansatz, wenn du über deine Schnürsenkel stolperst?
Sicherlich nicht Magie. Wahrscheinlich eher, die Schnürsenkel zuzubinden. Oder dir das Knie zu halten, weil du eben hingefallen bist, aber das ist eine andere Geschichte.

Wenn du in eine andere Stadt möchtest, benutzt du dann einen Teleportzauber oder benutzt du ein weltliches Fortbewegungsmittel, wie ein Auto, den Bus oder die Bahn? Im Mittelalter wäre es vielleicht ein Pferd. In einer Fantasywelt wäre es vielleicht ein Kutschenservice. Oder meinetwegen ein Chocobo-Verleih. Oder ein Schiff.

Und wie versuchst du Leute von deinem Standpunkt zu überzeugen? Mit MAGIE!
Ach nein, wohl eher mit logischen nachvollziehbaren Argumenten. Dann lernt die Person auch gleich dich und deine Weltsicht besser kennen und womöglich liefert er sogar ein Gegenargument, an das du bislang noch nicht dachtest. Klingt wie ein Dialog, dem man gerne zuhören möchte.

Mmh, es ist Winter und die Heizung ist kaputt. Dann wird es wohl Zeit für einen Zauber? Nein? Dann doch eher ein Pullover und warme Socken?

Mal angenommen du willst nicht erkannt werden, was würdest du tun? Entweder nicht an den Ort gehen, wo du nicht erkannt werden willst. Oder mit einer Kapuze im Gesicht. Oder du setzt dir eine Sonnenbrille auf.

Mmh, woran könnte es liegen, dass du dieses norwegische Buch nicht lesen kannst? Das muss Magie sein. Oder du beherrschst einfach diese Sprache nicht.

Wie versuchen eigentlich Verbrecher (der realen Welt) aus Gefängnissen zu kommen? Mit Magie? Nein, mit einem Löffel im Boden graben, zersägen von Stangen unter Zuhilfenahme von geschmuggelten Werkzeuge, Herausbrechen von Wandsteinen. Oder er wird als Unschuldiger wieder freigelassen oder kommt auf Kaution raus.

Doch noch sind wir in einer Fantasywelt. Also was könnte der Grund sein, dass Monster nicht ein Dorf überrennen? Ein magischer Schild?! Klar, das würde nur ein paar Fragen aufwerfen, wie:

- Wie kann das Schild zwischen all den Monstertypen und Nichtmonstern unterscheiden?
- Wer hat den Schild erbaut?
- Was hält den Schild aktuell aufrecht?
- Wie lange ist der Schild hier schon?
- Was genau haben "Monster" an sich, dass der Schild sie als Bedrohung erkennt?
- Können Haustiere durch diesen Schild?
- Können menschliche Räuber durch diesen Schild?

Habt Ihr schon mal etwas von Ockhams Rasiermesser (Ockham's Razer) gehört? Wie wäre es mit simplen Annahmen, wie:

- Monster mögen kein Licht oder Feuer. Deswegen ist die Stadt immer ausgeleuchtet.
- Das Dorf hat eine Mauer.
- Das Dorf hat einen Schutzgraben
- Die Monster haben schlechte Erfahrungen mit den ansässigen Wachen gemacht
- Es hängen Schutzsymbole an jeder Tür (quasi halb Magie, halb Aberglaube)
- Es gibt keinen Schutz und es kommen hin und wieder Monster rein

Seht ihr, man muss sich überhaupt keine Gedanken über weltliche Lösungen machen, wenn die erstbeste natürliche Reaktion vollkommen ausreicht. Doch ich verstehe, dass man irgendwann zu einem Punkt kommen kann, wo es sehr schwierig sein wird die Heldenparty ohne "übernatürliche Hilfe" weiter voranschreiten zu lassen. Es ist fast so als ob man hier ... nachdenken müsste.
Schockschwerenot O_O Es könnte spannend werden!

Das "Hindernis" zu einem Vollidioten zu machen ist natürlich eine Möglichkeit. Ihr wisst schon: Soldaten und Gefängniswärter, die vergessen haben euch die offensichtliche sichtbare Ausrüstung abzunehmen. Kann man machen. Ist aber nicht sonderlich elegant oder glaubwürdig.

Entwickler versuchen auch viel zu oft, jeglicher Form von Problematik durch Magie und "dumme Gegenspieler" aus dem Weg zu gehen. Aber was ist so schlimm an Problemen? Die Spannung einer Geschichte macht doch gerade der Weg aus, den man findet um aus Problemen wieder herauszukommen. Der Weg ist doch das Ziel.


Alternative 2: Technologien


Technologie, die wir nicht verstehen, kann durchaus wie Magie wirken, nicht wahr? Statt uns also Magie aus dem Arsch zu ziehen, ziehen wir uns Technologie aus dem Arsch und geben ihr die limitierte Eigenschaft von Magie.

Klingt wie kein großer Unterschied zu regulärer Magie, doch der Unterschied ist vorhanden: Wir haben der Magie ein "Gefäß" gegeben. Wir implizieren damit automatisch, dass diese "Magie" begreifbar, erklärbar und reproduzierbar ist und obendrein ganz spezifischen Regeln folgt. Denn irgendeine Figur dieser Welt hat dieses Zeug erschaffen.
Das ist als Spieler wesentlich greifbarer, als willkürliche Magie, die durch den Äther fliegt und nur aus einem Buch vorgelesen werden muss.

Wir dürfen nur nicht vergessen, dieser Technologie selbst Grenzen aufzusetzen.
So ein Wasserkocher kann Wasser erhitzen, doch sollte das nicht mit anderen Flüssigkeiten gemacht werden. Und ein Wasserkocher kann auch kein Feuer machen und benötigt Elektrizität.

Und so etwas außerweltliches wie Dämonen können auch über Technologien verfügen, welche möglicherweise noch unvorstellbarer sind, weil diese Technik aus einer Welt mit anderen physikalischen Gesetzen stammt.

Alternative 3: Naturgesetze neu festlegen


Diese Lösung kombiniere ich gerne mit der Technologie-Lösung, weil sie sich nicht gegenseitig widersprechen. Und obendrein verbleibt die Welt fantastisch und quasi-magisch, obwohl die übliche "Magie" nicht existiert.

Wir sagen einfach, dass die Natur von sich aus quasi-magische Elemente produziert, die es in unserer Realität nicht gibt. Sie können unlogische Eigenschaften haben oder die üblichen Naturgesetze selbst ignorieren, denn schlussendlich ist es doch die Natur selbst, die über ihre eigenen Regeln bestimmt.

Was diesbezüglich sehr beliebt ist, sind Elementarsteine, die von sich aus die Eigenschaften diverser Naturkräfte besitzen (Feuer, Erde, Wasser, etc.). Ich selbst habe da auch meine eigene Variante mit einer sogar recht komplexen Entstehungsgeschichte. Wieder jemand anders, wird seine eigene Variante haben. Es könnte eine ganze Industrie darauf basieren. Oder es ist das komplette Gegenteil der Fall und solche Urkraft-Steine sind strikt verboten.

Auch wäre es möglich einen "fließenden Äther" oder ein "Energieherz der Welt" zu etablieren, aus dem durch diverse Mittel gezehrt werden kann (zB durch Technologien) und dessen Essenz in Sphären eingesetzt werden, um Quasi-Magie zu erzeugen.

Die Alternative zu Magie ... ist also Magie?


Was haben wir mit den Alternativen 2 und 3 eigentlich erreicht? Haben wir durch Wortspielerei aus Magie nichts weiter gemacht als eine andere Form von Magie?

In gewisser Weise Ja - und in gewisser Weise Nein.
"Magie" ist tatsächlich nur ein Label, das wir nicht quantifizierbaren Kräften zuschreiben, die offensichtlich nicht aus unserer Realität stammen. Denn wie gesagt, Magie kann und darf alles.
Beginnen wir aber nun diese Kraft zu beschreiben, ihr Grenzen aufzusetzen und sind theoretisch fähig sie wissenschaftlich zu beschreiben, handelt es sich nicht mehr um Magie.

Ein Wasserkocher ist nicht magisch, sondern Technologie.
Ein Buschfeuer ist auch nicht magisch, sondern schlichtweg etwas Natürliches.

Selbst wenn Ähnlichkeit zu Magie besteht, so sind Technologie und Natur begreifbarer und annehmbarer und auf dessen definierter Grundlage lässt sich das Worldbuilding noch weiter ausdehnen und noch tiefer definieren.

Vergleichen wir unsere letzten beiden Alternativen doch mit Magie und Alternative 1 (Logik). Ich gebe hier eben an, worauf ich spontan komme, um die Welt noch weiter auszubauen und interessanter zu gestalten:

  • Ein Dorf/Stadt muss vor Monstern geschützt werden.

A) Ein magisches Schild aus einem magischen Buch. Pff.. äh... es gibt... mmh, einen Zauberer?

B) Ein energetisches Schild von einem Energiereaktor, das nichts durch lässt außer Licht. Es muss für Sauerstoff gesorgt werden, der Zugang muss über alternative Wege erfolgen (unterirdisch, gut verschlossen), der Reaktor braucht eventuell hin und wieder neue Rohstoffe.

  • Wir müssen zu einem weit entfernten Ort.

A) Teleportation. Wir sind direkt da. Mir fällt nichts ein.

B) Zwischen Punkt A und Punkt B findet ein komplett neues Abenteuer statt, neue Leute werden kennengelernt, neue Orte gesehen, neue Probleme aller Art, Rätsel, Trauer, Freude, Charakter lernen sich untereinander besser kennen. Leute müssen überzeugt werden bei der Reise zu helfen. Die Welt wird in jedem noch so kleinen Aspekt mehr vertieft.

  • Wir müssen unerkannt bleiben.

A) Verhüllungszauber. Niemand erkennt einen. Man kann ungehindert etwas über den Ort, wo man unerkannt bleiben will, herausfinden ohne sich Sorgen zu machen.

B) Eine Verkleidung hernehmen, Haare färben, Perücke aufsetzen, Kapuze ins Gesicht. Muss einen Weg finden an diese Verkleidung zu kommen, was bereits riskant ist.
Oder sich nur in der Nacht bewegen (weniger Leute, wenig Licht), wodurch das Gameplay leicht variiert, Infos gesucht werden müssen, Wachen und Licht ausgewichen werden muss.
Oder man bewegt sich nur mit einem "Helden", welcher tatsächlich nicht bekannt ist, während die Anderen woanders bleiben. Oder man hat einen Verbündeten, den man kurzzeitig spielt. Macht die Geschichte wieder etwas spannender, vertieft eventuell neue Charaktere oder alte Charaktere, die noch nie auf sich selbst gestellt waren. Man macht sich Sorgen um zurückgebliebene Charaktere. Es gibt verdammt viele Möglichkeiten und Erweiterungen, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann.

Nimm Magie weg und du hast plötzlich Content. Und alles was du dafür brauchst ist dein Kopf.

Das waren meine heutigen Gedanken,
True

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