Sonntag, 7. September 2014

Wie Zeitreisen funktionieren

Mal abgesehen davon, dass Zeitreise-Plots in RPG Maker Spielen für gewöhnlich an den Haaren herbeigezogen und völlig unnötig sind, hat man oft den Eindruck als ob der Entwickler keine Ahnung hat, wie Zeitreisen überhaupt funktionieren, weil er nicht mal die Grundlagen versteht? An dieser Stelle will ich einige mir bekannte Modelle vorstellen, die ich mir allerdings auch nicht selbst ausdachte. Mit Sicherheit können gute Autoren auch eine andere nachvollziehbare Variante entwerfen.

Im Wesentlichen hängen die Varianten von Zeitreisen damit zusammen, wie die Zeitlinie und Dimensionen definiert sind und wie unser derzeitiges Verständnis von Raum und Zeit aussieht (Wissenschaft muss sein). Selbstverständlich etwas spekulativ, aber bis auf die Idee überhaupt eine funktionierende Zeitmaschine zu bauen, gar nicht mal so abwegig - auf Papier funktioniert es. Wir wollen außerdem nachvollziehbare Logik, damit der Spieler die Geschehnisse verstehen kann.

Grundlegende Regeln


Damit wir alle die "selbe Sprache" sprechen, wollen wir uns auf ein paar grundlegende Regeln einigen. Manche mögen irrelevant vorkommen, doch die darauffolgenden "Regeln" basieren auf deren Ableitungen.

1. Zeit ist relativ

Dank Albert Einstein wissen wir, dass Zeit nicht an jedem Ort gleich ist. Wie schnell Zeit abläuft, hängt davon ab wie schnell sich ein Körper bewegt und wie "tief" er sich in einem Schwerefeld befindet. Das heißt sehr vereinfacht ausgedrückt, dass die Zeit für jemanden auf der Erde, mit einer anderen Geschwindigkeit abläuft, als für jemanden, der sich sehr nahe an einem Schwarzen Loch befindet (blabla, weitere Faktoren). Objekte im All können also von Natur aus nicht mit der gleichen Geschwindigkeit durch die Zeit "reisen".
Es gibt also keine absolute Zeit oder absoluten Zeitpunkt (und das ist entscheidend). Wir sind also gezwungen uns eine Zeitlinie herzunehmen, wollen wir die Zeit und deren Verlauf beschreiben.



Die weiße Zeitlinie kommt hierbei aus dem Unendlichen und endet im Unendlichen. Sie wird als "starre Linie" vorausgesetzt. Zeit selbst kann sich also nicht bewegen, sondern nur "wir" auf ihr.

2. Vereinfachung: Konstanter Zeitfluss

Unterschiede in der Geschwindigkeit des Zeitflusses, können meist ignoriert werden. Unsere Geschichte spielt wahrscheinlich auf der Oberfläche des selben Planeten (ungefähr identisches Schwerefeld) und selbst wenn nicht, wären die Unterschiede so minimal, dass sie niemand bemerken würde (es sei denn irgendjemand reist mit annähernder Lichtgeschwindigkeit). Sagen wir also vereinfacht, dass sich alle aktuellen Geschehnisse der Welt mit konstanter Geschwindigkeit durch die Zeit bewegen.


Damit können wir doch arbeiten. Der Punkt ist beispielsweise der 3. Oktober 1788 um 14:30 Uhr und bewegt sich pro Sekunde, um eine Sekunde auf der Zeitlinie vorwärts. Da dies unsere Gegenwart ist, wird sie trotz dieser "natürlichen Zeitreise" als "Zeitpunkt 0" beschrieben.

3. Gleiche Geschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt

Im Wesentlichen ist auch das eine Vereinfachung. Die Realität ist weit komplizierter, doch ob wir die aktiv bemerken würden? Wohl eher nicht. Daher können wir uns im Zuge unserer Geschichte darauf einigen, dass wenn in der Vergangenheit (-1) oder Zukunft (+1) fünf Minuten vergehen, das dies auch in den anderen Zeitabschnitten so sein wird. Also quasi wie ein unrealistischer Autobahn-Stau, wo ein Auto am Nächsten hängt und jeder mit gleicher Geschwindigkeit fährt (sagte ich schon, dass er unrealistisch ist?).


Da jeder Punkt mit der gleichen Geschwindigkeit "reist", verzichte ich zukünftig auf die gelben Pfeile.

4. Aktionen führen zu Reaktionen

Im Wesentlichen ist das sehr simpel. Wenn ich hier und jetzt ein Glas Wasser fallen lassen würde, wäre mein Boden ab diesem Zeitpunkt klitschnass und voller Scherben. Hätte ich vor 10 Sekunden ein Glas Wasser fallen lassen, wäre der Boden seit 10 Sekunden klitschnass und voller Scherben und ich wüsste auch seit 10 Sekunden davon. Das Ereignis findet also nicht schlagartig 10 Sekunden später statt, ohne, dass ich etwas davon mitbekommen hätte, denn ich war ja laut der konstanten Zeitlinie dabei. Das ist logische Alltagserfahrung - wo wir zum nächsten Punkt kommen:

5. Niemand bemerkt Veränderungen

Unsere Erfahrungen können sich nicht schlagartig oder bemerkbar ändern, wenn etwas im Zeitfluss durch einen Zeitreisenden manipuliert wird. Weder als unbeteiligte Person, noch der Zeitreisende selbst (sofern es ihn betrifft). Würde Zeitreisender Olaf in die Vergangenheit reisen und versehentlich (ohne Absicht) dafür sorgen, dass er während des ersten Zeitsprunges andere Kleidung trägt (von Blau auf Rot), würde sich die Zeitlinie dahingehend ändern, dass Olaf eben plötzlich Rot trägt, aber selbst nichts davon mitbekommt, da er laut seinem eigenen Wissen sie ja die ganze Zeit trug. Das würde weder ihm, noch sonst irgendwem komisch vorkommen. Er würde allerhöchstens erkennen: "Aha, so habe ich also diese Kleiderwahl damals vorgenommen". Diese Begebenheit grafisch ausgedrückt:


Jedenfalls wäre das der klassische Fall von Auswirkungen. Es ist wichtig ihn zu verinnerlichen, um die Komplexität und Abhängigkeiten zu verstehen. Allerdings existieren noch andere Zeitreisemodelle, die diesen und den nächstfolgenden Punkt erheblich beeinflussen. Für das Grundmodell einer starren einzelnen Zeitlinie, wollen wir jedoch erstmal bei eben dieser bleiben.

6. Endlose Loops dürfen nicht existieren

Man sagt, dass der beste Beweis dafür, dass niemals jemand durch die Zeit reiste, der ist, dass das Universum noch existiert. Nunja, je nach Modell kann das stimmen - aber für einen Zeitreiseplot wäre das affig. Dennoch wollen wir einen sehr wichtigen und berühmten Punkt berücksichtigen: Das sogenannte Großvater-Paradoxon.

Nehmen wir an ein Zeitreisender würde versehentlich oder bewusst dafür sorgen, dass seine Zeitreise nie zustande käme. Oder er eine Änderung vornimmt, die dafür sorgt, dass er diese Änderung selbst überhaupt nicht hätte herbeiführen können. Doch wenn diese Zeitreise nie so hätte ablaufen können, würde es nicht zu dieser Änderung kommen. Und wenn es nicht zu dieser Änderung kommen kann, wird doch eine Zeitreise stattfinden. Wir stecken also im Endeffekt in einer endlosen punktuellen Singularität fest, denn die Zeit "will" gleichzeitig das Eine und das Andere. Das Universum würde also großräumig oder wahrscheinlich sogar komplett kollabieren. Hey, vielleicht führte das ja zum Urknall :P

Die Geschichte sollte also zumindest dahingehend erzählt werden, dass ein solches Ereignis nicht stattfinden kann. Es sei denn wir nehmen andere Zeitreisemodelle daher, deren Existenz dann aber in der Geschichte irgendwie klar werden sollte. Denn mit dem Großvater-Paradoxon sind die Meisten vertraut.
(was übrigens so heißt, weil davon ausgegangen wurde, dass man seinen eigenen Großvater tötet, bevor der eigene Vater geboren wurde, was zum selben Ergebnis führt, wie obig beschrieben).

Das gleiche fatale Ergebnis können wir erhalten, wenn wir uns ein Ziel vor der Zeitreise festsetzen. Also im Wesentlichen eine simple Absicht. Nehmen wir an, unser Ziel ist es den einzigen Baum, in einer Wüste abzuholzen. Wenn unsere Zeitreisenden Erfolg haben werden (noch bevor wir die Zeitreise aus erzählerischer Sicht machen), wird sich ihre Zeitlinie so ändern, dass sie den Baum gar nicht mehr abholzen wollen, weil da laut ihrer Zeitlinie gar kein Baum ist. Doch wenn sie nicht zurückreisen um ihn abzuholzen, ist der Baum doch da - und wir haben den selben fatalen Loop.
Dass das Universum also noch existiert, ist also im Wesentlichen ein Zeichen dafür, dass unsere Absichten missglückten. So oder so, wir verlieren bei Zeitreisen in die Vergangenheit.

Reisen in die Zukunft führen natürlich zu wesentlich weniger Paradoxen und sind entsprechend "sicherer". Sind nur leider nicht die Zeitreisen, die meist benutzt werden, obwohl sie in der Realität theoretisch sogar möglich wären (weil sich auf der Zeitlinie geradeaus zu bewegen faktisch immer funktioniert. Nur ein Zurückreisen halt nicht).

Für Spiele können wir manche Regeln (z.B. das unvermeidbare Paradoxon) natürlich ein wenig aufweichen, denn wir wollen schließlich FUN erzeugen und keine Wissenschaft betreiben.

Verschiedene Zeitreisemodelle


Was ich eben beschrieb, war im Wesentlichen das Grundmodell, auf was sich Zeitreise-Plots gerne berufen. Diese Regeln sollten bekannt sein, selbst wenn man sich für ein anderes Modell entscheidet (zum Grundverständnis der Komplexität). Allerdings wissen wir nicht, wie das Raum-Zeit-Gefüge in Wirklichkeit funktioniert. Wir können tolle Theorien, Ideen und vielleicht auch Formeln haben, aber die Realität orientiert sich leider nicht daran, was wir uns vorstellen und wie weit unser Verständnishorizont reicht - sie ist einfach da und "macht ihr Ding". Deswegen lässt sich auch auf andere Modelle spekulieren, denen ich jetzt einfach spontane Namen verpasse.

1. Mono-Zeitlinien-Modell



Ja, das Bild habt ihr eben gesehen. Es ist unser Grundmodell, mit der einen Zeitlinie und Konsequenzen in Veränderungen der Zeit. Hier macht es "Kabumm", wenn wir uns selbst in einem einfachen Loop verirren.

2. Alternative-Zeitlinie-Modell




Diese beiden Darstellungen repräsentieren im Wesentlichen ein und die selbe Sache.

Dieses Modell ist dahingehend interessant, dass wir bei der Reise auf eine alternative Zeitlinie befördert werden und somit keinerlei Einfluss auf unsere eigene Zeitlinie nehmen können. Geschehnisse lassen sich also nicht effektiv verändern, aber sie haben auch keinen Einfluss auf unseren Zeitreisenden. Wir umgehen also eine Menge Paradoxen. Selbstverständlich haben "unsere Leute" in unserer Zeitlinie nicht wirklich was davon, denn aus ihrer Sicht sind wir auf ewig verloren, können niemals zurückkehren (es sei denn die Technologie erlaubt das, wie bei Trunks aus Dragonball Z) und haben nichts erreicht. Gleichgültig ob wir in die Vergangenheit oder Zukunft reisen.

3. "Goddus Modell"



Google ist eine schöne Sache, nicht wahr? Dieses Modell arbeitet erneut mit einer einzigen Zeitlinie, fügt jedoch die sogenannte "Hyper-Time" hinzu, in welche sich ein Zeitreisender in den Moment bringt wo er seine Zeitreisemaschine startet. In der Hyper-Time ist der Zeitreisende eine Art von "Außenstehendes Wesen", dessen eigener Werdegang völlig abgespalten vom Rest ist, weil er sich ohnehin nicht mehr im primären Zeitstrang befindet. Man könnte sagen, er hat seine persönliche eigene Zeitlinie erschaffen, ändert jedoch die "wahre Realität" durch seine Taten, indem er sie ab dem Zeitpunkt zurücksetzt.
Somit kann der Zeitreisende in der selben Zeitlinie doppelt existieren, sowohl als Zeitreisender, als auch als Nicht-Zeitreisender. Jedenfalls habe ich das so verstanden. Und wenn nicht: Das klappt in der reinen Theorie trotzdem.

Im Wesentlichen ist das hier das Grundmodell, nur mit der Einführung einer definierten "Hyper-Time", welches völlig nachvollziehbar sämtliche Probleme eliminiert. Toll, oder?

4. Blabla Many More

Im Wesentlichen will ich mit diesem Artikel nur ein Grundverständnis für logisches Zeitreisen schaffen und keine Lösungen bringen. Wenn ihr selbst ein gutes Modell habt, das mit den dargebrachten Grundregeln harmoniert, ist das auch völlig okay. Ihr könnte auch fantastischer werden und irgendwelche Raumbrüche involvieren (weil die Zeit selbst auch alt wird, oder so) oder gar Götter dafür verantwortlich machen. Im Endeffekt kommt es darauf an, auch erklären zu können warum etwas geschieht und das auch in irgendeiner Form im Spiel verständlich zu machen.

Zeitreisen sind nicht so einfach zu verstehen, doch wer sie einsetzt, sollte das lernen. Und so schwer zu begreifen, sind sie glücklicherweise auch nicht.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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