Sonntag, 21. September 2014

Klischees ins Gute verkehren

Fast alle schlechten spielerischen Designs und Klischees, über die ich in meinem Blog schreibe, besitzen auch Ausnahmevarianten, die unter bestimmten Aspekten und in bestimmten Szenarien völlig in Ordnung sind oder sogar als Stärke genutzt werden können. Klischees sind immerhin nur dann schlecht, wenn sie schlecht umgesetzt werden oder wenn keine nachvollziehbaren Argumente erkennbar sind. Außerdem ist es unvorteilhaft, wenn sich diese Klischees in exakt der Weise erfüllen, wie in jedem anderen Spiel auch und damit sehr vorhersehbar sind.Wie die gängigsten Trashgame-Klischees richtig aufgezogen werden könnten, soll das heutige Thema sein.

Die Kunst Klischees zu umgehen, ist mit Erwartungshaltungen zu spielen und die "Sache" eben nicht so aufzuziehen, wie sie normalerweise geschehen, wodurch die Vorhersehbarkeit der Geschichte positiv erschwert wird. Es ist außerdem möglich ganze Geschehnisse einfach komplett zu eliminieren und keinerlei Hinweise auf deren zukünftiges Vorhandensein zu entwerfen, indem das Klischee komplett ins Gegenteil verkehrt wird. Oder du nutzt die Erwartungshaltung, um den Spieler mental bewusst in eine falsche Richtung zu locken.
Klischees lassen sich nicht komplett eliminieren, denn die Genres haben diese selbst ins Leben gerufen. Es kann aber mit ihnen richtig umgegangen oder bewusst richtig eingesetzt werden. Klischees sind also nicht zwanghaft schlimm und man sollte nicht versuchen, sie auf "Teufel komm raus" abzuschalten. Man sollte sich aber bewusst machen, dass diese Klischees existieren und es Wege gibt, mit ihnen zu arbeiten.

Vorwort


Bevor ich zu einigen Beispielen komme, muss ich noch ermahnend darauf hinweisen, dass der Versuch Klischees zwanghaft komplett zu eliminieren keine gute Idee ist. Wenn euer Spiel das Potential für Klischees besitzt, kümmert euch nur darum, wenn es angebracht ist. Denn die Umschreibung solcher Relevanzpunkte, ist in der Regel mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden, der mehr benötigt als ein einfaches Pflaster - Und das ist anstrengend. Ferner ist es vielen Spielen recht deutlich anzusehen, wenn sie auf Teufel komm raus versuchen Klischees zu umgehen.

Ihr könnt Klischees natürlich umschreiben.
Ihr könnt sie auch entfernen.
Ihr könntet sie aber auch unverändert beibehalten.
Und tatsächlich sind manche Klischees unumgänglich.

Allerdings ist es relativ einfach auf bestimmte Fallen eben nicht hereinzufallen, wenn man sich deren Existenz schlicht bewusst ist. Wenn du weißt, dass schlechte Spiele gerne einen Chaos-Hintergrund mit Glasboden benutzen, tust du es einfach nicht, ohne weiter darüber nachzudenken. So einfach wie Kuchen essen.

Im Folgenden werde ich beschreiben, weshalb bestimmte Punkte eingesetzt werden, wie deren Einsatz nicht gut funktioniert und was mögliche Alternativen sind. Bedenkt: Nur weil ein Klischee vorkommt, ist es nicht zwanghaft schlecht. Die Umsetzung ist der springende Punkt.

Für diese Beispiele, die etwas mehr Erklärung brauchen als "Baue es halt nicht ein", werde ich mich am Trashgame-Bingo bedienen.



Stirb Endlich

"Ein Verwandter des Protagonisten stirbt. Elternteil oder gar die ganze Familie stirbt"

Einsatzgrund: Drama und Initiator für die Abenteuer-Motivation. Der Spieler kann allerdings meist nichts mit der Familie anfangen und der "Held" verliert später meist auch keine Worte mehr darüber. Deren Tod ist meist ziemlich erzwungen.

Besser: Es sollten im Vorfeld Emotionen aufgebaut werden und klar gemacht werden, dass die Familie für den "Helden", als auch für den Spieler von Wert ist. Möglicherweise sind sie auch wertvoll für den Rest der Gesellschaft, weil sie Arbeitgeber oder engagiert in sozialen Aktivitäten sind. Mache klar, dass sie gute Menschen sind und den Tod nicht verdient haben. Töte sie nicht schon in der spielerischen Einleitung, dann rechnet der Spieler nicht mehr mit ihrem Tod.
Es ist auch möglich ihren Tod als Drama zu gestalten, indem sie (oder ein Elternteil) über längere Zeit an schweren Verletzungen oder einer Krankheit dahinsiechen.

Umkehren: Lass die Familie schlichtweg am Leben. Vor allen Dingen wirkt es nach Katastrophen eindrucksvoll, wenn sie überlebt haben. Geht sicherlich eher ans Herz, als der zigste Elterntod. Und damit rechnet niemand!



König Grundlosböse

"Jedes Spiel braucht einen bösen König."

Einsatzgrund: Mächtige Antagonisten sind eindrucksvoll. Aber wenn der König diese Macht überhaupt nicht nutzt (man bedenke die unendlichen Möglichkeiten eines Herrschers), ist sein monopolistischer Rang völlig überflüssig. Nutzt er auch noch Methoden, die er überhaupt nicht nötig hätte, ist er inkompetent. Meist schlägt sich seine Politik auch nicht auf das Volk nieder, sondern seine Taten eiern ausschließlich um den "Helden" herum. Auch sind seine Beweggründe oft völlig unverständlich und an den Haaren herbeigezogen: Böse weil böse. Außerdem kann der Typ nicht lügen.

Besser: Antagonisten sollten mindestens so stark ausgearbeitet werden wie die Helden. Gib ihm einen trifftigen Grund für sein Handeln, die von seiner Position aus Sinn ergibt. Lass ihn seine Macht nutzen, um mit seinen Plänen durchzukommen (Politik, Gesetze, Verrat und Lügen. Könige müssen sich sich nicht zwanghaft rechtfertigen. Sie besitzen Wachen und Armeen, fähige Bedienstete und Berater). Fähige "böse" Könige sind immerhin auch eine ernstzunehmende Gefahr.
ODER gib dem König keinerlei bösen Absichten, sondern lasse die "Helden" seiner gewohnten Politik im Weg stehen, weswegen dieser in irgendeiner Form eingreifen muss. Nicht vergessen: Das ist keine Demokratie, sondern eine Monarchie, also wird da schon irgendwas sein, was das Volk verärgert.

Umkehren: Setze einen guten König ein. Oder erschaffe einen strengen, ernsten König (was er in seiner Position sein muss), der zwar wie böse wirkt, es aber in Wirklichkeit nicht ist und nach einigem Hin und Her den "Helden" sogar völlig ernst gemeint hilft. Auch hier gilt: Je später klar wird, dass er kein Schurke ist, desto überraschender wirkt es.



Emo-Protagonist

"Der Protagonist hat das härteste Schicksal von allen und muss es Anderen immer wieder klar machen"

Einsatzgrund: Drama-Unterstreichung und als Erinnerung für den Abenteuergrund. Bloß funktionieren Holzhammermethoden nicht wirklich gut. Erst recht nicht, wenn sein dramatisches Schicksal sonst keine Spur an ihm hinterließ, als das gelegentliche Geweine. Und andere Charaktere sollten stellvertretend für ihn auch nicht wiederholen, wie schwer er es doch hat ... der Spieler hat es schon beim ersten Mal verstanden.

Besser: Schwere Schicksale hinterlassen deutliche Spuren in der Persönlichkeit und der Einstellung gegenüber bestimmten Themen. Dafür muss der "Held" nicht mal wiederholen was ihm geschah, sondern es sollte aus seiner Einstellung und "Sprachweise" zu besagten Themen hervorgehen. Das gilt für quasi alle Bereiche, die ihn in dem Bezug persönlich betreffen und so wäre es nicht verwunderlich, wenn er z.B. bei einem Rache-Plot gelegentlich kopflos handelt (nein, nicht Allan!).

Denkbar wäre auch, wenn der Protagonist ein grundlegend glücklicher Typ ist, ihm aber etwas Grauenvolles passiert, wovon er aber nichts weiß (die Anderen jedoch schon). Sie bringen es einfach nicht fertig, ihm "das" zu sagen. Und irgendwann ist es nicht mehr möglich "es" geheim zu halten und den Protagonist erwischt es so schwer, dass er tatsächlich zum Emo-Protagonisten wird - aber aus gutem Grund und mit reichlich Aufbau. Gelegentlich versucht er vielleicht noch Spaß zu machen, weil das seine eigentliche Natur ist, aber es gelingt ihm nicht. Meine Güte, denkt Euch was aus. Ich zieh mir das hier alles spontan aus dem Arsch >:-[



Ich kann es spüren

"NEIN" (Auren oder Ereignisse spüren)

Einsatzgrund: Faulheit!!!

Besser: Mit dem richtigen Aufbau funktioniert alles, auch das. Ich habe das bereits in einem anderen Artikel erklärt, daher hier nur die Kurzfassung. Lasse die Personen darauf trainiert sein so etwas zu spüren. Es wäre auch noch okay, wenn es eine angeborene Gabe ist, ABER es gibt kaum einen Grund, wieso irgendwelche Leute das glauben sollten (außer leichtgläubige Deppen). Behaupten kann ja jeder, er hätte irgendwelche Kräfte. Und eine einzige Demonstration ist auch noch kein Beweis. Und bitte gebe nicht jedem Dorfdeppen diese Fähigkeit - es ist ein Tool für faule Entwickler. Und ja: Ereignisse spüren ist Unfug.

Alternativen: Da "Auren spüren" es in den meisten Fällen unnötig macht auf andere Darstellungsformen zurückzugreifen, kehren wir die Sache doch einfach um: Wir benutzen echte Darstellungen echter Ereignisse.
Ein Vulkan bricht irgendwo aus oder ein Dorf steht in Flammen? Das sollte man von Weitem sehen können.
Ein magischer Fluss wird gesucht? Dann wird das schon irgendwie bemerkbar sein (weil der irgendwas Magisches ausstrahlt, was sich auch auf die Umgebung auswirkt) oder ein magisches Tool kann sie dort hinführen oder die Position ist schon längst bestimmten anderen Personengruppen bekannt.
Timmy ist in den Brunnen gefallen und in Gefahr? Lassie holt Hilfe (oder bellt und jault laut).
Die Festung des Dämonenkönigs wird gesucht? Irgendwer muss die doch gesehen haben!
Gefährliche Aura in der Nähe spüren? Streich das und ersetze es mit "Fühlst du dich auch so unwohl?" oder "Ich glaube wir werden beobachtet" oder "Hast du das Rascheln gehört?".
Ergo: Manchmal langt es auch, einfach nicht zu sagen, es könne irgendwer Auren spüren.



KLAUS

"Nope Nope Nope Nope NOPE Nope NOPE"

Da ist leider nichts mehr zu retten. Klaus als Protagonist (oder in der Party oder als Antagonist) kann man echt nicht mehr bringen.



Und damit der Artikel nicht zu lang wird, sollen diese Beispiele erstmal genügen. Euch sind wahrscheinlich auch einige Alternativen eingefallen - und so soll es ja auch sein. Ich finde sie wesentlich spannender, als diese vorhersehbaren Faulheitsmethoden. Wie gesagt: Klischees lassen sich auch geschickt als Stärken verwenden.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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