Sonntag, 22. Juni 2014

Nicht erklärt --> Nicht vorhanden

Ich schrieb im vorletzten Blog, dass Expositionen ins Fegefeuer gehören, also unnötige Info-Drops in Dialogen nichts verloren haben. Auf der anderen Seite, muss ein Spiel jedoch bestimmte Informationen in irgendeiner Form darstellen oder benennen, damit der notwendige Kontext und die Glaubwürdigkeit der Geschehnisse aufrecht erhalten bleiben kann. Denn was nicht erklärt wird, ist komplett der Interpretation des Spielers unterworfen - und diese Interpretationen können stark variieren. Wenn keinerlei interpretierbarer Input vorhanden ist oder du es versäumt hast wichtigen Content/Inhalt darzustellen, wirkt das wie eine Lücke in deinen Ideen, Worldbuilding und Storytelling.

Und du glaubst ja nicht, wie viel wichtiger Content existiert. Dazu gehören nicht nur die gröbsten Ecken deines Spiels, um den Plot gerade noch vorwärts zu tragen, sondern auch viele optische und erzählerische Details. Auch das Mapping gehört dazu. Was man sieht, muss man nicht erklären, denn es ist schließlich bereits dargestellt - es wird für den Spieler selbstverständlich und es braucht weniger Worte und somit Expositionen.

So sollte man auch so glaubwürdig mappen können, dass der Spieler den Sinn von Räumen erkennt. Der Spieler sollte durch dein Mapping fähig sein, jede Platzierung nachvollziehen zu können. Wenn ein Fischernetz am Hafen hängt, kann man davon ausgehen, es wird Fischerei betrieben, nur eben gerade nicht in diesem Augenblick mit diesem Netz. Genau dieses Netz wird dann entweder ein Ersatznetz sein, oder der Fischer (oder die Crew) macht wohl Pause. Platzierte Objekte, sind interpretierbare Informationen.

Mit dem selben Beispiel können wir uns aber auch selbst einen Strick drehen: Es ist kein Netz vorhanden, kein Boot hat angelegt, nirgendwo ist auch nur ein Eimer mit Fischen zu sehen, es wird aber gesagt ein Fischer existiere. Dann könnte es gut sein, dass er gerade fischen ist, aber er existiert nicht als visuelle Information in deinem Spiel. Solch ein Szenario wäre in der Realität völlig legitim, aber dies hier ist nur leider ein Spiel und es lebt durch Darstellungen, Lebendigkeit und leicht interpretierbare Begebenheiten. In solchen Fällen solltest du Zusätze schaffen, die deutlich machen, dass dies hier auch wirklich ein Fischerhafen ist und der Fischer bzw. die Crew anscheinend gerade draußen ist. Egal was der Zusatz ist, die visuelle Darstellung sollte stets der gesprochenen Erklärung vorgezogen werden - dann bleibt auch viel mehr Platz für natürliche Dialoge. Oder gar keine Dialoge - Es gibt tolle Spiele, die sich einzig und alleine durch visuelle Darstellungen ausdrücken und dafür nicht einmal aufwändige Methoden benutzen.

Visuelle Informationen sind fundierter, als die gesprochene Erklärung dahinter, denn Worte sind nur flüchtige Aussagen, das Optische ist aber materiell und tatsächlich vorhanden. Daher können auch Informationen gestreut werden, die zu unbeabsichtigt völlig falschen Interpretationsmöglichkeiten führen oder schlichtweg zu keinen Interpretationen, obwohl diese notwendig sind.

So ist ein Königsschloss, in dem keine Wachen aufgestellt werden, visuell unbewacht. Zu behaupten es wäre bewacht, stünde dem völlig entgegen; es ist eine falsche Aussage. Wenn der König dann auch noch Wachen ruft, die vorher nicht da waren, ist das Chaos perfekt.
[Nachtrag: Durch zutreffende Aussagen kann man sich sogar selbst ein Bein stellen. Nehmen wir an das Schloss ist grauenvoll gemappt und eine Wache sagt, dass die Wege hier verwirrend sind und das schon so war, als sie das Schloss besetzten. Ja toll, jetzt ist sich also auch der Entwickler bewusst, dass sein Mapping miserabel ist und fügt Ausreden in sein Spiel ein]

Nehmen wir ein echtes Beispiel: Auf einem Schiff, auf hoher See, befindet sich die für gewöhnlich gut gerüstete Heldenparty  und einige Matrosen. Plötzlich kommt ein Sturm auf, der das Schiff zum Kentern bringt. Die Helden werden sicher an Land gespült und die Matrosen sieht man nie wieder. Es wird nur mit Worten vermutet, dass ein paar Matrosen überlebten, aber effektiv sieht man nie wieder welche. Und mit Worten wird erklärt, dass ihre Ausrüstung weggespült wurde.

Was erfährt man also als Spieler? Man kann davon ausgehen, dass die ausgebildeten, schwimmfähigen Matrosen gestorben sind und der Heldenparty mit der Ausrüstung am Leib, kein Leid zufiel. Das ergibt keinen Sinn.
Aber: Die Ausrüstung wurde ja weggespült, nicht wahr? Nun... sie wird nicht vom Körper gefallen sein. Aber wo war sie denn sonst? Der Entwickler erklärte öffentlich, sie könnte doch unter Deck gebunkert worden sein (könnte?). Es wurde nur leider nie visuell, noch mit Worten dargestellt. Es wurde nicht erklärt, also ist dieser "Fakt" nicht vorhanden. Statt dessen lässt die Interpretation des Spielers zu, dass die Heldenparty (die ja für gewöhnlich gerüstet ist) mit der Ausrüstung am Körper kenterte und somit entsteht ein völlig unlogischer Schluss.
Es ist also etwas völlig Anderes passiert, als der Entwickler darstellte. Was er nicht darstellte, existiert schlichtweg nicht und fügt dem Spiel nichts hinzu.

Erkläre deine potentiellen Ungereimtheiten also bitte über Storytelling und Visualisierungen. Wenn du bemerkst, dass deine Sequenz am Ende nicht aussagekräftig genug ist, überarbeite sie. Füge zusätzliche Szenen ein. Was du nicht darstellst, steht der Interpretation des Spielers frei, der dein Spiel schlichtweg nicht kennt. Und wenn er die falschen Schlüsse zieht, ist nicht er daran Schuld, sondern du als Entwickler. Du hast dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst dazu kommt.

Zu späte Erklärungen im Spiel oder gar als Entwickler außerhalb des Spiels, sind Ausflüchte.

Das waren meine heutigen Gedanken.

[MG]

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