Mittwoch, 16. April 2014

Ein spezifisches Problem: Metroid-Fanspiel

Im letzten Blog schrieb ich über die Anwendung allgemein definierter Schemen, die sich nicht global auf alle ähnlichen oder identischen Probemstellungen anwenden lassen. Denn Spiele sind (oder sollten) für sich unikate Werke sein und ihre eigenen Lösungen bedürfen. Deswegen springe ich heute auf einen spezifischen Zug, für ein hypothetisches Spiel, welches ich sicherlich irgendwann umsetzen werde, und erläutere meine Gedankengänge. Beispiele sind schließlich nie was Schlechtes, so lange man als Dritter nicht versucht sie zu kopieren.

Vor "längerer" Zeit spielte ich zwei RPG Maker Spiele, die versuchten Super Metroid zu imitieren (Link zum Video). Es handelte sich hierbei um Metroid Prime Missions 1 & 2. Die Ausführung war eine Katastrophe, der Entwickler hatte offensichtlich nur eine schwammige Ahnung vom Metroid-Universum, das Gameplay war unsinnig und mit der Prime-Trilogie hatten diese Games offensichtlich nicht das Geringste zu tun ("Prime" klingt halt fancy). Nichts desto trotz empfand ich die grundlegende Idee des ersten Teils, als keinen wirklich schlechten Ansatz: Metroid mit klassischer RPGM-Perspektive und eigener Story, natürlich. Das hat Potential! Das ist eine fantastische Idee, wenn man sie nur vernünftig umsetzt.

Und um das zu bewerkstelligen, schmeißt man sich nicht sofort an den Computer - höchstens um eine Textdatei zu öffnen - und zieht sich willkürlich Grafiken aus dem Internet, bürstet den RPGM durch und füttert ihn mit Skripten, stellt Sets zusammen.... sondern plant erst einmal. Ein großer Schritt ist bei diesem Spiel bereits getan: Es existiert eine Vorlage, die lediglich originalgetreu wiedergegeben werden muss. Sehr originalgetreu.
Überhaupt ist das "Originalfeeling" eines der größten Probleme bei [RPGM-]Fanspielen. Das liegt zum Einen an der limitierten Technik und somit anderes Gefühl für die Spielweise, jedoch leider viel öfter an der leider mangelnden Kenntnis über die Originalwerke (wieso erstellt man ein Fanspiel, wenn man keine Ahnung hat?) und natürlich das größte aller Probleme, das sowieso meist besteht: Keine Ahnung von Gamedesign!!!

Ziehen wir eine Linie.


Im Folgenden will ich demonstrieren, wie ich an diese spezifische Problematik zu diesem Zeitpunkt herangehen würde. Als Entwickler sollte man immer mit plötzlichen Strategiewechseln rechnen, wenn es nicht anders möglich ist, insofern will ich nochmal deutlich darauf aufmerksam machen, dass dies wirklich nur vorausgehende Gedanken sind, die keinesfalls den kompletten Entwicklungsprozess erfassen können.

Ich arbeite hierbei mit einer sehr simplen, sehr zu empfehlenden Methode:
Ich stelle mir bildlich vor, wie das Spiel im Endzustand aussehen würde, stets unter Beachtung der von mir eingestreuten Einwürfe. Das Spiel entwickelt sich im Kopf.

(1) Was will ich?

Ein Metroid-Spiel, mit Metroid-Feeling, erstellt mit dem RPG Maker 2003, mit der klassischen RPG Maker Perspektive.

(2) Technische Limits

Je höher die RPGM-Version, desto geringer höher sind die eigentlichen Limits, sofern man die Programmiersprache beherrscht. Ich tue das nicht und ich würde dieses Spiel ohnehin mit dem RM2k3 umsetzen, da ich diese Engine und ihre Limits schlichtweg am besten kenne. Mittlerweile ist es möglich mit Zusatzprogrammen den 2k/3 ein wenig zu verbessern, doch diese sollte man erst heranziehen, wenn sich ein unvorhergesehenes Problem erschließt, und nicht als Grundvoraussetzung für das eigene Werk. Insofern lässt sich im Vorfeld sagen: Die Metroid-Steuerung, Handling und Gameplay lässt sich nicht 1 zu 1 übertragen. Das "Feeling" von Metroid - dass man sich im Metroid-Spiele-Universum befindet - sollte sich davon jedoch nicht beeinflussen lassen. Wir müssen lediglich andere Wege finden, wie wir dieses bestmöglich visualisieren können, sowohl optisch, als auch spielerisch.

(3) Perspektivenwechsel

Dieser Wechsel ändert absolut alles. Unter Anderem Grafik, Spielmechanik, Levelaufbau und Gegnereigenschaften. Nehmen wir diese Punkte nacheinander auseinander.

(3.1) Grafik

Der Wechsel vom Sidescroller zur Overhead-View. Plötzlich besitzen zuvor gesehene Grafiken eine imaginäre zusätzliche Ebene. Natürlich, beides ist 2D, doch bei einer angewinkelten Overhead-View kann man beispielsweise nicht nur die Vorderseite eines Würfels zeigen, sondern muss auch die Oberseite darstellen.
Während ein Sidescroller versucht mit seinen Hintergründen eine Tiefenwirkung zu erzielen, müssen Overheads versuchen eine Höhen-Illusion zu erschaffen und das erfordert erhöhten grafischen Aufwand, vor allen Dingen wenn eine glaubwürdige Metroid-Welt entstehen soll, die es in der Perspektive noch nicht gab. Eventuell lohnt sich hier also ein Blick auf die Metroid Prime Trilogie (weil 3D), um ein Gefühl für das zu mappende Resultat zu erhalten.
Außerdem können Samus und Gegnergrafiken nicht einfach übernommen werden. Hier heißt es: Selbst pixeln.

(3.2) Spielmechanik

Was alle Metroid-Games gemeinsam haben, muss auch die RPGM-Version besitzen. Die Essenz des Originals, die Spielmechanik, welche alle Teile treibt, darf nicht verloren gehen. Samus schießt, springt, kniet, rollt sich zu einem Ball, sammelt PowerUps und Lebensupgrades ein, bekämpft kleine und große Bosse. Secrets sollte es zu entdecken geben, für die eventuell Upgrades benötigt werden. Ein möglichst frustfreies Backtracking sollte bestehen (Metroidvania-Feeling), individuelle Gegner.
Klingt in meinen Augen völlig machbar. Was ich fett markierte dürfte das eigentliche Problem an der Sache sein: Springen und Knien. Aufgrund des Perspektivenwechsels könnten wir auf Knien, um niedrigere Ziele zu erreichen, völlig verzichten, denn diese niedrigere Ebene existiert nicht, sie lässt sich nicht darstellen.

Doch eine Samus die nicht springen kann? Nein, das darf nicht sein. Der imaginäre Höhenaufbau darf hier nicht nur grob optisch dargestellt werden, sondern muss echte Relevanz besitzen. Es muss Höhen und Tiefen geben, auch um die Komplexität der Maps/Level zu verbessern, Schlauchlevel zu vermeiden und den Entdeckertrieb zu wecken. Die dritte Dimension auszunutzen bringt hier nur Vorteile.

Denkbar wäre auch das Springen über Gegner zu ermöglichen - was jedoch sehr wahrscheinlich sehr Fehleranfällig wäre und überhaupt technisch schwer umzusetzen wäre. Jedoch wäre diese Option nicht einmal zwingend notwendig, ruft man sich ins Gedächtnis welchen Nutzen "springen" überhaupt im Original-Metroid für einen Zweck erfüllte: Höhere Orte erreichen, Gegner auf höheren Ebenen töten, Gegnern und Geschossen auf unterschiedlichen Ebenen ausweichen.
Höhere Orte lassen sich auch mit einer "Sprungpunkt"-Mechanik erreichen. Ausweichen ist durch die zusätzliche Bewegungsdimension viel leichter (zusätzlich zu Links und Rechts: Hoch und Runter), sofern sich Bewegungsrichtungen fixieren lassen (zwingend notwendig). In fast allen Metroid-Teilen war das Töten von Gegnern optional und nur dann notwendig, wenn diese im Weg standen und eine echte Gefahr darstellen konnten. Den Spieler jetzt auch noch, mit allen vier Bewegungsrichtungen, die Fähigkeit zu geben über Gegner zu springen, würde jeglichen Kampf völlig unnötig machen - es sei denn die Prämisse heißt, man müsse alle Gegner töten um weiterzukommen, doch diese Methode ist frustrierend und wird schnell monoton, vor allen Dingen beim Backtracken.

Statt dessen lässt sich einfach sagen: Samus wird eingekesselt? Tja, dann solltest du die Gegner töten!
Eine gute Idee fände ich es jedoch, wenn Samus auf der Stelle springen könnte und auf höherer Ebene einen Schuss abgeben könnte, um halt Gegner auf höherer Ebene zu töten, bevor sie frustrierend werden. Mehr zu diesem ganzen Absatz, unter dem folgenden Punkt.

(3.3) Leveldesign

Mit allen bisherigen Definitionen habe ich bereits einen guten Eindruck vom vorläufigen Leveldesign gewonnen. Völlig neue spielerische Wege, Kampfstrategien, Platzierung von Rätseln und Secrets und auch ein wenig wie die Grafik aussehen könnte. Ja, ich schreibe das hier alles "on the go".

Wie bereits formuliert, stehen Samus im 2k/3 mehr Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung. Während man sich im Sidescroller nach Links und Rechts bewegen konnte und erst einmal innehalten musste, wenn ein Gegner erschien, sich einen Kopf machen musste ob oder wann man über ihn springt oder ob man ihn abschießt, könnte man diesen im 2k/3 einfach umgehen, sofern das Leveldesign nicht mitspielt.
Beispiel: Große leere Räume und Gegner irgendwo zu platzieren ist kein gutes Design. Der Spieler muss zum Nachdenken und Beobachten angeregt werden, was durch die zusätzliche Höhendimension und Limitationen der Bewegungen in der Ebene möglich wäre. Was nicht bedeutet, Samus ständig durch enge Schlauchlevel zu führen, doch riesige langweilige Areale müssen auch nicht sein - irgendetwas dazwischen.
Und hier kann ich bereits sagen, dass ich hier noch keine bestimmte Aussage treffen kann, so lange ich keine Konzept-Map angefertigt habe. Ja, so etwas wie Metroid würde ich nicht spontan mappen, sondern ganz genau durchplanen.

Und hierbei müssen auch zukünftige Wege berücksichtigt werden, die als Solche zu erkennen sein sollten. Und das bedeutet nicht, dass alle Nase lang eine andersfarbige Tür den Weg versperrt - es bedarf schon etwas mehr Kreativität um den Spieler nicht zu langweilen. Lüftungsschächte, brüchige Wände oder Objekte, für die ein bestimmtes Power-Up benötigt wird. Flüsse, Lavaseen oder Abgründe über denen ein gut sichtbarer Grappling-Haken schwebt. Objekte, die auf Entfernung (und mit Sprung) zerstört werden müssen um eine Tür zu öffnen. Oder gar Hindernisse/Barrikaden, die mit völlig neuen Power-Ups erreicht werden müssen!

Auch sollte über die Möglichkeit nachgedacht werden, Abkürzungen zu erschaffen, um das Backtracking zu erleichtern. Das erspart nicht nur Frust, sondern bietet auch einen AHA-Effekt. Der Spieler muss schließlich das Gefühl bekommen, er hätte durch eigenen Antrieb irgendwas Tolles entdeckt (was auch toll ist), auch wenn ihm diese Möglichkeit quasi ins Gesicht gerieben wurde.

(3.4) Gegnereigenschaften

Beim Leveldesign würde ich auch Gegner nicht ausschließen, da diese im klassischen [Super] Metroid Teil des Parkours waren. Es galt ihnen geschickt auszuweichen oder zu töten ohne selbst getroffen werden, unter verschiedenen Terrainbedingungen. Diese lässt sich in der Overhead-Perspektive so natürlich nicht effizient imitieren, da das Terrain im Großen und Ganzen immer eben bleibt und die Tiefe, welche einige Gegnereigenschaften bestimmte, fehlte. Es müssen also andere Gegnereigenschaften daherkommen, als man sie bislang erlebte, jedoch nicht unglaubwürdig erscheinen. Es sollten Gegner sein, die nicht unfair sind und für die eventuell eine besondere Strategie notwendig ist.

Ich denke hierbei an:

Wandkrabbler, die auf Samus springen können oder verhindern, dass Samus irgendwo hochspringen kann, solange sie nicht getötet wurden.
Ebenen-Springer, die Samus nur von höheren Ebenen aus angreifen und auf diese auch wieder zurückkehren.
Random-Käfer, die bei Kontakt Schaden zufügen, aber eigentlich nur langsam und zufällig durch die Gegend laufen (Tiere halt).
Explosions-Käfer, die ebenfalls zufällig herumlaufen, aber bei zu geringer Nähe explodieren können. Eventuell fügen sie auch Gegnern oder Mechaniken Schaden zu (Rätsel?).
Weltraumpiraten, die schießen, manchmal hin und her springen und auch die Ebene wechseln können.
Gepanzerte Gegner, deren Schale erst mit einer Rakete geknackt werden muss.
Nahkampfgegner, die auf "Follow Hero" stehen (sehr sehr wenige) und von Samus Schüssen zurückgeschleudert werden können.
Selbstmordgegner, die mit einem Schuss tot sind, aber auf Samus zulaufen.

Und so weiter und sofort. Gegner, die mit der eingeführten Mechanik harmonieren und diese voll ausnutzen. Und nicht tausenddreiundzwanzig Gegner die alle auf "Follow Hero" stehen ò___ó

(4) Power-Ups & neue Hindernisse

Ich schnitt bereits an, dass die klassischen Power Ups bei der neuen Perspektive eventuell nicht funktionieren würden, es sei denn man arbeitet irgendwie drumherum. Beispielsweise würden High-Jump-Boots auf der Stelle und an gesonderten Sprungpunkten absolut funktionieren. In dem Zusammenhang finde ich jedoch keinen Nutzen für die Screw Attack oder den Space Jump. Diese können keinerlei Zweck erfüllen, da Springen in diesem Spiel anders funktionieren würde. Ergo müssen neue Power-Ups daherkommen, die den Regeln des Spiels angepasst sind. Und/Oder Upgrades aus anderen Spielen, als nur Super Metroid (ich mag z.B. den Spider Ball sehr).

Neue Power Ups sind an sich immer dann notwendig, wenn ein scheinbar unüberwindbares Hindernis auftritt. Ergo müssen neue Mechaniken her, welche diese Hindernisse darstellen.

Eine neue Mechanik könnte "massiver Wind" sein, der Samus' in eine bestimmte Richtung drückt und ihr Weiterkommen in die andere Richtung erschwert. Inwiefern das technisch umsetzbar wäre, ist natürlich fraglich, doch es ist zumindest schon einmal eine Idee. Und dieses Hindernis würde sich durch zB Magnet Boots oder einen völlig neuen Suit bewältigen lassen.
In dem Sinne wären auch Abschnitte denkbar, in denen die Schwerkraft anders wirkt und man über Wände laufen muss (natürlich mit passender Samus-Grafik). Entweder um weiterzukommen, Secrets zu finden oder gar um den Spieler aufzuhalten. Ein Magnet Suit wäre durchaus eine Überlegung wert und es wäre etwas überraschend Neues.

(5) Bosse

Hier muss wahrscheinlich die komplette Kreativität noch einmal auf die Probe gestellt werden, denn Bosse müssen etwas Besonderes, "lebendig" (nicht statisch) und eine Herausforderung sein. Da dies im Maker nur begrenzt möglich ist, wären Bosse mit mehreren Kampfphasen absolut nicht verkehrt, wodurch der Spieler seine Strategie ändern muss und nicht einfach nur gerade auf den Boss ballert. Wechselnde Schwächen, das Aufbauen einer knackbaren Barriere, elektrisieren des Bodens wodurch die Ebene gewechselt werden muss, Bosse die über den Parkour erledigt werden müssen da sie keine Schwachstelle besitzen, oder der Schwachpunkt muss erst durch Interaktion mit der Umgebung geöffnet werden... es gibt viele Möglichkeiten. Aber eines müssen sie gemeinsam haben: Pompöse Gegner. Eventuell riesige Exemplare. Jeder was Besonderes. Jeder Boss sollte quasi ein eigenes Level für sich sein. Das bricht natürlich ein wenig mit "Metroid", doch für diesen Ansatz fände ich es sehr passend.
Und Ridley darf selbstverständlich nicht fehlen.

ABSCHLUSS

Alleine durch das Niederschreiben dieser "On The Go"-Ideen habe ich eine sehr gute Vorstellung davon gewonnen, wie das Spiel auszusehen hat, selbst wenn ich hier nicht alle Details niederschrieb. Ich habe spontan zig Ideen für Bosse, Rätsel und Levelabschnitte. Ich habe hier fucking Gamedesign betrieben und mir eine Vorlage geliefert, auf der ich selbstbewusst aufbauen kann. Und all diese Lösungen für mein spezifisches Problem funktionieren auch tatsächlich nur für dieses Spiel und für kein Anderes. Selbst wenn jemand ebenfalls ein Overhead-Metroid erstellen will, hätten wir nicht die selbe Art unsere Ideen auszuführen. "Schema F" klappt nicht. Nie.

Das waren meine heutigen, noch gerade so geordneten, Gedanken.

[MG]

[Nachtrag] Ursprünglich dachte ich an eine Erfahrungspunkte-Mechanik, die sich jedoch nach diesem Artikel nicht mehr mit dem Konzept verträgt und so gesehen auch nicht ins Metroid-Universum passen würde - ja gar kontraproduktiv wäre. Macht aber nichts, denn die neuen Überlegungen finde ich gut. Kill your Darlings, schmeiß raus was nicht reinpasst.

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