Dienstag, 22. April 2014

Das "Inkompetente Gewaltenherrscher"-Einmaleins

Hallo, verehrter Verfechter grundlos böswilliger Absichten. Wenn Ihr diesen Blog lest, seid Ihr sicherlich daran interessiert, vor lauter Langeweile in Eurem langweiligen Königreich, wo sich ohnehin jeder langweilt - denn mittelalterliche Fantasiewelten können schlichtweg nur langweilig sein - ein wenig grundlos nach mehr Macht zu greifen als ohnehin schon. Nicht so wie gewöhnliche Könige, indem sie andere Länder erobern oder sich um königliche Angelegenheiten kümmern, mit anderen Adeligen interagieren,... nein, nein; denn in Eurer Welt existieren die Grundlagen für so etwas überhaupt nicht. Was bleibt einem Herrscher mit bösem Herzen also Anderes übrig, als die ultimative Weltherrschaft (???), das ewige Leben, unendliche Power oder einfach nur grundlos böse zu sein?

Selbstverständlich ist diese ganze Antagonisten-Geschichte nicht so einfach, denn sobald Sie der bösen Seite beitreten, müssen Sie sich darauf gefasst machen, mit den Helden der Geschichte konfrontiert zu werden. Und diesen können Sie es schließlich nicht all zu schwierig machen - am Ende würde Sie noch irgendwer als echte Gefahr verstehen oder Sie gar ernst nehmen!
Daher möchte ich Ihnen in diesem kleinen Ratgeber aufführen, welch voraussehbare Grundeigenschaften Sie besitzen müssen, um ein richtiger beschissener Antagonist zu sein.

(1) Seien Sie ein König
Nun, entweder das, oder eine äquivalent hohe Position. Da jedoch niemals, in der ganzen weltlichen Geschichte, nichts Anderes als Dorfälteste, Bürgermeister und Könige existierten, bleibt ihnen wohl nur die höchste Position übrig. Historische Unwissenheit zahlt sich halt aus, denn es macht alles so viel einfacher.

(2) Bedienstete
Das Wichtigste, damit die Helden es nicht all zu schwer haben, ist sich die dümmsten, inkompetentesten, gelangweiltesten Idioten des Reiches Untertan zu machen. Leute, die ihren Job nicht ernst nehmen und kein Interesse daran haben, Ihr Schloss oder Ihren Leib zu bewachen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Wachen die Helden herzlich begrüßen, Diebstahl dulden und sie niemals in irgendeinen Konflikt eingreifen. Selbst wenn Sie kein böser König sind, machen Sie es trotzdem - denn so verfahren sowieso alle Herrscher.

(3) Wahrheit ist eine Tugend
Stellen Sie sich vor, Sie würden als böser weltverändernder Antagonist plötzlich anfangen zu lügen. Würde das nicht die Helden irritieren und Ihnen einen Vorteil verschaffen, der Ihrem Plan Zugute käme? Das wäre eine Katastrophe! Sagen Sie deshalb nicht nur stets und ständig die Wahrheit, sondern drücken Sie den Helden völlig ungefragt Ihren Plan ins Gesicht. Lassen Sie sie alle Informationen zukommen, die Ihren bösen Plan verhindern würden. Gerne auch in einer Zusatz-Sequenz, welche die Helden eigentlich nicht sehen können. Schließlich haben nur kompetente Antagonisten, die auch Aufwand betreiben oder Erfolg haben wollen, etwas mit psychologischer Kriegsführung zu tun.

(4) Böses Lachen
Um wirklich ernst genommen zu werden und damit völlig klar wird, dass Sie wirklich ein böser König sind, der nicht vorgibt gut zu sein (was seinem Plan Zugute käme), lachen Sie bei jeder Gelegenheit aus vollem Halse. Beispiele: GARHARHAR. MUHAHAHA. Vergessen Sie die Großschreibung nicht, integrieren Sie das akustische generische Schurken-Lachen und treffen Sie im Anschluss irgendeine unfassbar blöde Entscheidung oder sagen Sie irgendwas Dummes. Denn nur Antagonisten treffen blöde Entscheidungen.

(5) Kerker-Design
Für den unwahrscheinlichen Fall, Sie würden die Helden doch fangen, werfen Sie sie unbedingt in einen Kerker mit Notausgang. Entweder über ein Rätsel oder eine durchlässige Wand. Denn nur so können Sie beweisen, dass Sie ein fairer Antagonist sind, der seinen Erzfeinden eine zweite Chance gibt die Welt zu retten. Und machen Sie sich keine Sorge, Ihre Wachen würden etwas gegen diese Vorrichtungen tun oder Sie über den Ausbruch informieren. Die sind dafür schlichtweg zu inkompetent - genau was Sie wollen. Wenn Sie sich als besonders inkompetent beweisen wollen, sorgen Sie für einen Direktzugang zwischen Kerker und Thronsaal, damit nicht nur Helden, sondern auch Mörder und anderes Gesindel Sie sofort erreichen können. Vergessen Sie auch nicht, zu vergessen, ihnen die Waffen abzunehmen.

(6) Ihr Volk
Wenn Sie etwas mehr Zeit übrig haben, wieso nicht das eigene Land terrorisieren? Nichts sagt mehr darüber aus, wie Böse Sie sind und wie egal Ihnen das kapitale Einkommen über Steuern oder Handel ist, indem Sie einfach Ihr Volk abschlachten lassen. Und wenn Sie dafür keine Zeit haben, sorgen Sie zumindest dafür, dass Ihr Volk öffentlich drüber redet, welch ein böser König Sie seien, selbst wenn es allen vortrefflich geht. Es schadet auch nicht, die eigenen direkten, treuen Untergebenen zu hintergehen - schließlich gehört auch das, zu den klassischen unfassbar dämlichen Entscheidungen, welche Sie erst zu einem inkompetenten Antagonisten machen.

(7) Machtlosigkeit demonstrieren
Wie sinnlos wäre es, wenn ein König all seine Macht und Einfluss öffentlich demonstriert? Worin bestünde denn der Sinn in so etwas? Da haben wir uns die Mühe gemacht und die königliche Festung durch inkompetentes Personal quasi zu einem Pappkarton reduziert, und plötzlich soll ihnen doch ein Hindernis in den Weg gestellt werden? Nein, nein. Demonstrieren Sie Ihre Macht weder in unmittelbarer Nähe, noch irgendwo im Königreich. Die einzige Ausnahme dafür gilt, wenn Ihre Armee das Volk abschlachten soll. Und vergessen Sie nicht: Als König verfügen Sie lediglich über einen (seltener zwei) hochrangigen Untergebenen - stirbt dieser oder stellt er sich auf die andere Seite, fällt auch Ihre letzte Barriere.
Selbstverständlich ist es auch unmöglich, den Helden einfach die gesamte Armee um die Ohren zu werfen.

(8) Reisen Sie alleine
Da Sie als böser König (gehasst von allen) ohnehin keine Feinde besitzen, reisen Sie stets alleine, egal wo es auch immer hingeht. Vergessen Sie Leibgarden, irgendwer aus ihrer Armee, irgendeinen Ritter. Schließlich sind Sie nicht nur ein König und somit automatisch der Stärkste der Welt, sondern auch noch böse, was Ihnen automatisch einen gewaltigen Boshaftigkeits-Schub schenkt. Wie wundervoll!

(9) Erwarten Sie den Feind
Da Ihnen keine andere Wahl bleibt als dumme Entscheidungen zu treffen, bleibt Ihnen nichts übrig als mit dem Ankommen der Helden zu rechnen. Lassen Sie diese das auch wissen, indem Sie dramatisch auf ihrem Thron warten oder ihnen den Rücken zukehren, während Sie die Worte sprechen: "Ich wusste, dass ihr kommen würdet". Sollten Sie noch etwas mehr Inkompetenz beweisen wollen, sagen Sie stattdessen: "Ich hätte nicht gedacht, ihr würdet so weit kommen". Ein Klassiker.

Mit diesen neun Ratschlägen sollten Sie gewappnet sein, der inkompetenteste böse König aller Zeiten zu werden. So wie es alle tun. Was für ein Spaß.

Anmerkung: Vielleicht ist es nicht die beste Idee, einen König/Herrscher zum Antagonisten zu machen, wenn man überhaupt nichts mit ihm anfängt! Außerdem: Worldbuilding, please!

[MG]

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